Pressespiegel

11. November 2014
Text: tassilo

Lo Studiolo bringt »Gräfin Cagliostro« – Eine Seidenbandaffäre

Sagen wir nicht oft von Gegenständen: Wenn dieser oder jener erzählen könnte ... Und der Dichter verrät uns: Schläft ein Lied in allen Dingen. Er nennt auch die Geheimformel, nämlich das »Zauberwort«. Dieses Zauberwort muss es gewesen sein, das Satu Blanc die Macht gegeben hat, einem Seidenband eine Geschichte zu entlocken. Eine wahre Geschichte, nota bene, denn wenn eine Geschichte so erzählt wird, wie sie sich zugetragen haben könnte, ist sie wahr.

Was erleben die Zuschauer in einem Raum, der nichts verbirgt, der Bilder entstehen lässt und der den leisesten Ton, die feinste Mimik preis gibt? Ein Raum, in dem jede »Spielecke« kongenial genutzt wird und der auf kleinster Ausdehnung Bilder starker seelischer Zustände entstehen lässt. Das danken wir zwei Personen, die von einer Person, Satu Blanc dargestellt und gespielt werden. Serafina und Hanni, zwei Frauen, möglicherweise gleicher Herkunft, aber jetzt unterschiedlichen Standes und beide nach Lebensglück strebend. Eindrücklich und fast beklemmend, in welch überzeugender Art und Weise Satu Blanc beide Charaktere in sehr vielen Facetten und jeweils absolut authentisch präsentiert. Der Wechsel von einer Figur zur anderen erfolgt für das Publikum auf überraschende Art und Weise und es ist nicht nur das Kostüm, das blitzschnell gewechselt wurde. Lebenssituationen der beiden Frauen werden teilweise berührend, teilweise erheiternd, aber immer glaubhaft nahe gebracht. Eine Leiter dient als Bett für Reflexionen, eine abwärts führende Treppe lässt dahinter einen Ballsaal erahnen. Mosaiksteine, die durch den Text, das Bühnenbild, das Kostüm, die Körperhaltung, die Stimmlage ein Bild der im 18. Jahrhunderts spielenden Geschichte erzeugen, das lange auf der Netzhaut der Zuschauer bleibt. Man erfreut sich am Resultat der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Regisseurin und Darstellerin und geniesst die leisen, intimen, verhaltenen Töne ebenso wie die kraftvollen, starken – und dank kluger Regie seltenen – Ausbrüche. Zwei Frauenfiguren, zwei Charaktere, die es zu entdecken galt. Dem »Lo Studiolo« ist es gelungen und das überzeugte Publikum dankte mit stürmischem Applaus.