Pressespiegel

Badische Zeitung, 5. Januar 2008
Text: Annette Mahro

Gedankentänze aus dem weiblichen Blickwinkel

Die Historikerin und Schauspielerin Satu Blanc erzählt in ihrem Programm »Freyheitsball« ein Kapitel Basler Geschichte

Dieser Aufstieg ist ein Einstieg, wie er besser kaum sein könnte. Wer sich nicht blind auskennt in der Basler Altstadt, muss einen Augenblick suchen und vielleicht in den Gassen hinter dem Barfüsserplatz einige Auf- und Abstiege versuchen, ehe Stimmengewirr den Weg weist. Auch wenn einigermassen ungewohnt für diese Stadt- und Geschichtenführerin dieses eine Mal alles im Warmen, hinter geschlossenen Türen vor sich geht, holt Satu Blanc ihr Publikum doch wie gewohnt höchstpersönlich noch vor der Tür ab.

Auf dem Leonhardsberg finden sich immer mehr Besucher ein, bis gemeinsam mit der schauspielenden Historikerin, die seit Jahren immer neue Geschichten um die Basler Geschichte lebendig werden lässt, plötzlich alle mittendrin sind. Um die der Anna Sophia geht es diesmal, keiner Druckersfrau, wie in »Malerei und schwarze Kunst«, keiner Magd, wie in »Wohin so eilig Johanna?« Die neue Hauptfigur kommt aus höherem Stand, ihr Mann geniesst politischen Einfluss in der Stadt, er handelt mit Indienne-Stoffen aus der Region, die er nach Afrika verschifft. Aber nicht allein damit hat die Familie es zu Besitz und Ansehen gebracht.

Zwar »schenkt« ihm seine Frau nicht weniger als neun Kinder und jedes von ihnen wird als ein weiteres Glied der Kette beschrieben, an die sie gebunden ist. Trotz dieser lebendigen Kette und ihrem Stand will sich Anna Sophia aber keineswegs der ihr zugedachten Rolle der unmündigen Frau ergeben. Entsprechend begeistert verfolgt sie die revolutionären Entwicklungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Mit neunjähriger Verspätung erreicht die neue Zeit endlich auch die Schweiz. Liestal stellt als erste Schweizer Stadt, so wird berichtet, einen »Freyheitsbaum« auf, Basel folgt sehr bald. Offiziell werden die strengen Standes- und Zunftschranken aufgehoben, die Stadt tanzt und gibt sich – das wird wohl besser sein – befreit. (Und führt schon 1803 den Zunftzwang wieder ein.)

Satu Blancs Geschichte vom »Freyheitsball«, der sie den Untertitel »Gedankentänze eines Frauenzimmers in der Basler Revolutionsnacht 1798« gegeben hat, sieht wie schon frühere Programme, die Geschichte mit den Augen einer Frau. Auch ihre früheren Figuren hatten schon ihre eigene, ein wenig neben der offiziellen Geschichtsschreibung herlaufende Sichtweise. Mit der Anna Sophia bringt die Künstlerin (...) aber noch stärker Betroffene ins Spiel.

Zwar bleibt der Anna aus Basel das Schicksal einer Olympe de Gouges erspart, deren Einsatz für die Frauenrechte zu Revolutionszeiten sie 1793 auf die Pariser Guillotine führte. Trotzdem muss Anna Sophia erkennen, dass ihr Ehemann die gleichberechtigte Bürgerin mit allen Mitteln zu verhindern weiss. In ihrem Salon erzählt und spielt sie jetzt ihre Geschichte, die zum Teil wahr ist. Sind doch die Tagebücher der Anna-Maria Preiswerk Iselin (1758–1840) Grundlage des Stücks. Identisch mit Anna Sophia ist sie, das betont Satu Blanc, aber nicht. Wenigstens nicht vollständig.