Pressespiegel

Satu Blanc als geheimnisumwitterte Gräfin Cagliostro

Badische Zeitung, 19. November 2014
Text und Bild: Roswitha Frey

Die Hüterin der Geschichten

Die Schauspielerin Satu Blanc spielt in Basel das Stück »Eine Seidenbandaffäre« über die skandalumwitterte Gräfin Cagliostro.

Eine zierliche Frauengestalt schaut durch den Türspalt, gehüllt in einen schwarzen Umhang, das Haar unter der Kapuze verborgen, in der Hand eine Laterne. »Folgt mir. Gebt Acht auf den Weg!«, sagt sie zu den auf dem Gehsteig wartenden Theaterbesuchern. Durch einen Gang geht es in den Garten, der von der Strassee aus nicht einsehbar ist. Ein schmaler, von wenigen Lichtern beleuchteter Pfad führt zu einem kleinen Häuschen: »Lo Studiolo«, das kleine Theater für grosse Geschichten, ist der neue Spielort der Schauspielerin Satu Blanc. Zur Premiere dieses bezaubernden Zimmertheaters spielt sie das Stück »Eine Seidenbandaffäre« über die skandalumwitterte Gräfin Cagliostro.

»Lo Studiolo« nannte man an den Fürstenhöfen der Renaissance einen Raum voller Kunstwerke und Bücher – und so nennt auch Satu Blanc ihr kleines, feines Theater. Das Haus im Garten, gelegen in einem Wohnviertel Basels im St.Galler-Ring, war früher ein Künstleratelier. Satu Blanc hat es liebevoll renoviert und zu einem Theaterraum umgestaltet, dessen intime Atmosphäre wie geschaffen ist für die historischen Ein-Frau-Stücke, die sie so gerne spielt. Die Zuschauer sitzen nah am Geschehen, ein Holzofen spendet behagliche Wärme, eine Treppe, die in den Keller führt, und eine Leiter zu einem kleinen Galerievorsprung unterm Dach ermöglichen ein Spiel auf mehreren Ebenen. Dies nutzt Satu Blanc ebenso geschickt aus wie den eingebauten Schrank mit den vielen Schubladen. Als Hüterin der Geschichten öffnet sie eine der Zeitschubladen, nimmt allerlei Requisiten heraus und führt die Zuschauer in das Basel des Jahres 1787.

Zwei Frauengeschichten verwebt sie in diesem Stück in Regie von Christine Ahlborn, die Schicksale zweier Frauen aus verschiedenen Gesellschaftskreisen. Zuerst gibt Satu Blanc im einfachen Gewand mit weisser Haube die Seidenbandweberin Hanni Buser, die im vornehmen Haus Sarasin die Zofe für das »welsche Frauenzimmer« spielen soll. Hanni ist einer jener Frauen aus dem Volk, die Ende des 18. Jahrhunderts in mühsamer Heimarbeit Seidenbänder für die feine Herrschaft in der Stadt weben. Hanni erzählt davon, wie sie bei Wind und Wetter, ja sogar bei verheerendem Sturm, die kostbaren Seidenbänder ins Haus des »Seidenherrn« bringen muss, wie sie Tag und Nacht auf dem kleinen Hof zu Hause krampfen muss, bis die Finger wund sind und der Rücken schmerzt. Nur damit sich die »Frau Gräfin« mit den Seidenbändern schmücken kann. »Die ist genauso wenig Gräfin wie ich«, ereifert sich Hanni, und verrät, was in Basel über den geheimnisumwitterten Grafen Cagliostro und dessen Frau Serafina getuschelt wird – dass der angebliche Graf Pillen, Kuren und Wässerchen verschreibt, Gold und Diamanten herstellt, den Damen der besseren Kreise ewige Jugend verspricht.

Überzeugend versetzt sich Satu Blanc in die Figur der Magd und Seidenbandweberin hinein. Und genauso eindrücklich gelingt ihr die Verwandlung in die Gräfin Cagliostro – eine rätselhafte Frau, über die man nur sehr wenig weiss. Man hört helles geziertes Lachen, Musik, Stimmen, und dann erscheint Satu Blanc als verwöhnte Gesellschaftsschönheit, gekleidet in ein prächtiges, spitzenverziertes Kleid, glitzernde Spangen im blonden Haar. Gräfin Cagliostro kommt gerade von einem Ball und Satu Blanc zeigt in ihrer sensiblen Darstellungskunst das wahre Gesicht der Contessa, die im tiefsten Inneren unglücklich ist. Sie legt den Schmuck ab, streift die Schuhe von den Füssen, lehnt sich müde an die Leiter und sinniert über die steifen Basler Herrschaften, das hohle Gerede, die »artigen Anzüglichkeiten« der Herren und die Distanziertheit der Damen, die sie für ein »liederliches Frauenzimmer« halten. Ihr Mann, der Wunderheiler, Magier und Zauberer Cagliostro, treibe sie mit seinen Machenschaften immer wieder zur Flucht von einer Stadt in die andere. »Unser Ruf ist beinahe ruiniert«, gesteht Serafina. Zart und verletzlich wirkt sie, wenn sie vom ruhelosen Leben an der Seite des Alchimisten, Heilers und Betrügers erzählt, von der Halsbandaffäre, die sie in Paris in den Kerker gebracht hat, vom Aufstand der einfachen Leute gegen die Verschwendungssucht der Reichen. Satu Blanc macht die Empfindsamkeit und Leere hinter der luxuriösen Maske der falschen Gräfin sichtbar, wenn sie sich mit Seidenbändern behängt, sich in den Schrank verkriecht, in italienischer Muttersprache anfängt zu beten. »Wie satt ich das alles habe, immer von einem Ort zum anderen fliehen zu müssen. Ich sehne mich nach einem Zuhause«, sagt Serafina.

Satu Blanc schliesst die Zeitschublade wieder, und die Zuschauer tauchen nur langsam aus der Verzauberung wieder in die Realität auf. Der Schauspielerin ist es in ihrem »Studiolo« eindringlich gelungen, das Porträt zweier Frauen zu verweben und ein Zeitfenster ins Gesellschaftsbild Basels Ende des 18. Jahrhunderts zu öffnen.