Pressespiegel

Satu Blanc in der Rolle der Katharina von Bora

Badische Zeitung, 30. Mai 2017
Text: Roswitha Frey

Die tüchtige Frau an Luthers Seite

Die auf historische Frauenfiguren spezialisierte Basler Schauspielerin Satu Blanc verkörpert Katharina von Bora

Mit einem lauten Knall schlägt sie die Kirchentüre zu. In einem schwarzen Umhang, ein weisses Bündel an sich gedrückt, huscht eine Frau in den Kirchenraum, blickt sich gehetzt um. Es ist Katharina von Bora, die Frau des Reformators Martin Luther, die auf der Flucht vor kriegerischen Unruhen Wittenberg verlassen muss und nicht weiss, wo sie hin soll. »Diese Welle von Gewalt war es nicht, was er wollte«, sagt sie, »es ging ihm um die Freiheit im Glauben«.

Mit dieser Szene beginnt das Theaterstück »Und immer wieder das Wort« von und mit Satu Blanc. Die auf historische Frauenfiguren spezialisierte Basler Schauspielerin verkörpert eindringlich die aus verarmtem Adel stammende Nonne Katharina von Bora, die den Mönch Martin Luther geheiratet hat. Der Spielort für dieses neue Stück über »die Lutherin« könnte nicht passender sein: die von der Evangelisch-lutherischen Kirche genutzte Kartäuserkirche auf dem Areal des Waisenhauses in Basel. Mit ihrer 600 Jahre alten Ausstattung bietet die Kirche aus dem 15. Jahrhundert eine stimmungsvolle Atmosphäre für dieses Schauspiel zum Luther-Jahr und Reformations-Jubiläum.

»Luthers Worte haben mich mitten ins Herz getroffen«, sagt Katharina von Bora im Stück. In dieser Rolle trägt Satu Blanc ein Haarnetz und ein historisches Kostüm, das dem Gewand der »Lutherin« auf dem Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren von 1526 nachempfunden ist. In diesem authentischen Kostüm gelingt es Satu Blanc bewegend, den Charakter dieser aussergewöhnlichen Frau darzustellen. Sie rollt ihre Lebensgeschichte im Rückblick auf. Es beginnt damit, dass sich die Witwe Luthers auf der Flucht aus Wittenberg 1546 an eine andere gefährliche Flucht 23 Jahre zuvor in der Osternacht 1523 erinnert. Damals lebte die Tochter aus adeligem Haus als Nonne im Kloster Nimbschen in strenger Klausur. Bis die neuen Thesen und die neuen Gedanken von Luther zu ihr durchdrangen und sie bis ins Mark aufwühlten. »Ich muss raus aus diesem Gefängnis, raus aus diesem Kloster«, rebelliert die mittellose Nonne gegen »diese grausame Angst vor Hölle und ewiger Verdammnis«. Satu Blanc spielt das Aufbegehren, indem sie sich an die Gitter des Eisentores klammert und davon spricht, wie Luthers Botschaft sie aufgerüttelt hat: »Luthers Worte geben uns die Freiheit zu leben, zu glauben, selber zu denken. Lest die Heilige Schrift oder lasst sie euch vorlesen, glaubt, vertraut, redet selber mit Gott. Dazu braucht es weder Pfaff noch Ablass«, sagt sie.

Mit wenigen Requisiten wechselt Satu Blanc in verschiedene Rollen, spielt auch mal die ängstliche Ave von Schönfeld, die zu den Nonnen gehört hat, die mit Katharina nachts heimlich aus dem Kloster flüchteten und auf einem Planwagen nach Wittenberg gelangten. »Wie eng und dunkel es auf dem Wagen ist. Wenn sie uns zu fassen kriegen, sind wir alle des Todes«, lässt sie die furchtsame Ave im schwarzen Nonnenhabit flüstern.

In Wittenberg angekommen, findet die geflohene Nonne Katharina Unterkunft bei dem Maler Lucas Cranach. »20 Jahre habe ich unter dem Schleier gelebt, nun musste ich lernen, das Mieder zu binden«, beschreibt sie ihr neues Leben. Dass Katharina von Bora eine energische, streitbare, zupackende junge Frau war, macht Satu Blanc in ihrer Darstellung in jedem Moment greifbar und spürbar. Etwa in den Szenen, in denen sie schildert, wie sie in Wittenberg Martin Luther begegnet. Sie beschreibt ihn als Gelehrten mit zerschlissener Kutte und zerzaustem Haar, der ihren fröhlichen Morgengruss nicht erwidert habe. Blanc bringt auch eine missgünstige Nachbarin ins Spiel, die böse Gerüchte über die »entlaufene Nonne« verbreitet. »Ein Weib macht den ersten Schritt!«, kommentiert sie giftzüngig, dass sich Katharina den Mönch Luther als Bräutigam ausgewählt hat.

Zielstrebig packt »die Lutherin« den Familienhaushalt an, getreu der Devise, dass »eine tüchtige Frau« wertvoller und edler für einen Mann sei als Gold und Perlen. Ganz in der Figur Katharina aufgehend, erzählt Satu Blanc lebhaft in Gestik und Mimik, wie die robuste Gattin Luthers verfaulten Strohsack ausmistete, alles umbauen liess, sich um Viehzucht, Bierbrauerei und Landwirtschaft kümmerte, einen Garten bepflanzte, sechs eigene Kinder und fünf Waisen aufzog, Gäste, Lehrer, Studenten und Tagelöhner verköstigte, Kranke pflegte: eine selbständige, tatkräftige Frau. Als die Tochter Lene am Fieber starb, »hatte der Vater keine Worte mehr«, beschreibt sie die Trauer und Verzweiflung. Satu Blanc bespielt geschickt den Kirchenraum, wandelt am historischen Chorgestühl entlang, zitiert aus Briefen, lässt ein gefühlsintensives, menschlich nahe gehendes Porträt dieser couragierten Frau an der Seite des Reformators entstehen, die Krisen, Widerstände und Konflikte durchstehen musste. In der Schlussszene, als Witwe, rafft sie wieder ihr Bündel zusammen und eilt zur Kirchentür hinaus. Ein starker Auftritt, der nachhallt!