Pressespiegel

Als Fanny begibt sich Satu Blanc auf heimliche Exkursionen durch das Naturhistorische Museum Basel.

Badische Zeitung, 24. März 2014
Text und Bild: Roswitha Frey

Erhellender Blick durch das Schlüsselloch

Szenische Führung im Naturhistorischen Museum Basel.

Wie aus der Zeit gefallen steht sie plötzlich im Raum. Zierlich, im hochgeschlossenen schwarzen Kleid mit Spitzenkragen, das blonde Haar sittsam zu einem Knoten gebunden. Scheu blickt sich die junge Frau um, weist auf die ehrwürdige Büste von Peter Merian: »Ein wenig zu streng, finden Sie nicht auch?«. Es ist die Schauspielerin Satu Blanc, die in ihrer szenischen Führung »Fanny und die Säbelzahnkatze« im Naturhistorischen Museum Basel in die Rolle der Fanny schlüpft, der Nichte des Schweizer Naturforschers, Geologen und Politikers Peter Merian, der eine prägende Persönlichkeit bei der Gründung des Museums war.

Fanny ist eine erfundene Figur, eingebunden in einen historisch verbürgten Hintergrund. Satu Blanc nutzt in diesem Schauspiel, das sie auf das Museum zugeschnitten hat, geschickt diesen Kunstgriff und verkörpert eine Frauenfigur aus dem 19. Jahrhundert, die gegen die gesellschaftlichen Konventionen aufbegehrt und ein »unschickliches« Interesse an Naturwissenschaften an den Tag legt.

Wir sehen die wissbegierige Fanny im November 1849, wie sie sich von den Feierlichkeiten zur Einweihung des Museums davon schleicht, um heimlich durch die naturhistorische Sammlung zu streunen und die »Wunder der Natur« und die »Kreaturen aus der großen weiten Welt« zu bestaunen, die hier ausgestellt sind. Im Jahr 2014 gelandet, staunt Fanny auch über die Kleidung der Besucherinnen: »Den Damen ist es gestattet, Beinkleider zu tragen, wie ich Sie beneide!«

Wie anders und eingeengt war die Rolle der Frau zu Fannys Zeit. Damals galt es als unangemessen für Damen, sich für Naturwissenschaft zu interessieren und zu forschen. Wie viel lieber würde Fanny ihrer Passion für die Wissenschaft nachgehen und dem Onkel bei den Forschungen helfen, als bei einer Stickarbeit im Salon zu sitzen. Auf der Schule für höhere Töchter sei das Anlegen eines Herbariums schon das Höchste der Gefühle gewesen. Fanny drängt es nach Wissen. Aber gefangen in gesellschaftlichen Korsetten, bleibt ihr nur ein heimlicher Rundgang durch die Sammlung der naturhistorischen Schätze. Im Treppenhaus begutachtet sie die Giraffe: »Schauen Sie, was für schöne sanfte Augen sie hat«. Dann geht es in den ersten Stock, wo sie mit dem Schlüssel aus dem Kontor des Onkels die Tür aufschließt. Und sodann eröffnet sich für Fanny die Welt der Dinosaurier, der Mammuts, der Säbelzahnkatzen, der Millionen Jahre alten Knochen, der sensationellen Funde. »Die Präparatoren sind wahre Künstler«, sagt Fanny bewundernd.

Satu Blanc spielt nicht nur die fiktive Figur der Fanny, sondern weitere Figuren – ohne das Kostüm zu wechseln, nur über die wandlungsfähige Mimik, Gestik, Sprache, Haltung. So verwandelt sie sich in Fannys dünkelhafte Mutter, die auf der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter ist. Dabei sorgt sich die Frau Mama um den Ruf der Tochter, die sich so »wenig damenhaft« benimmt, sich für »tote Tiere und allerlei Seltsamkeiten« interessiert und sich aus der illustren Festgesellschaft der Honoratioren davon stiehlt. Die Perspektiv- und Rollenwechsel machen das szenische Spiel lebendig. So gibt Satu Blanc auch einmal den Professor Peter Merian und zitiert ihn bei seiner hehren Rede zur Eröffnung des Naturhistorischen Museums, das die Wunder der Natur zu Bildungszwecken für alle Schichten darstellen soll. Als Kontrast spielt Satu Blanc eine einfache Arbeiterfrau, die nichts von dem »Prunkbau« hält, weil die Arbeiter Tag und Nacht in den Fabriken schuften müssen und keine Kraft und Zeit für anderes übrig haben: »Das bringt uns kein Brot auf den Tisch«. Da klingen auch gesellschaftskritische Töne an.

Immer wieder verweilt Satu Blanc vor einzelnen Objekten, etwa die Mimoplastik einer Säbelzahnkatze, eine der Attraktionen des Museums. Der Rundgang endet in der Aula. Dort spielt sie das Dienstmädchen des Professors Peter Merian, das die Gemälde und die Exponate in diesem »Tempel der Wissenschaft« abstaubt. So gelingt Satu Blanc, die für ihre historischen Stadtführungen und Ein-Frau-Stücke mit historischem Hintergrund bekannt ist, auch mit Fannys Exkursion ein erhellender Schlüssellochblick in die Vergangenheit. Zum Schluss verschwindet Fanny, zurück in ihre Zeit.