Pressespiegel

Johanna Spyri (Satu Blanc) packt die Verzweiflung – alle wollen ihr Leben in einer Biografie festhalten. Dabei will sie einfach ihre Ruhe.

Basler Zeitung, 14. November 2020
Text: Nathalie Reichel

Sie will doch nur schreiben

Im Monodrama »Johanna Spyri – wisst Ihr, die vom Heidi« zeigt die Basler Schauspielerin Satu Blanc, dass man die berühmte Schweizer Romanfigur von ihrer Schöpferin eigentlich gar nicht trennen kann.

Johanna Spyri wehrt sich vehement gegen die Verfassung ihrer Biografie. Die berühmte Schweizer Schriftstellerin und Schöpferin von »Heidi« kann einfach nicht nachvollziehen, weshalb ihr Leben auf derart grosses Interesse stösst. »Was geht die Leute meine Lebensgeschichte an? Sollen sie doch meine Erzählungen lesen!«

Mit ebendiesen Worten wandte sie sich im Jahre 1885 in einem Brief an ihren Freund, dem Dichter Conrad Ferdinand Meyer. 135 Jahre später steht die Basler Schauspielerin Satu Blanc als Johanna Spyri auf der Bühne des Theaters Arlecchino, setzt sich an den Schreibtisch und erzählt vom Leben der Autorin. Am Freitag feierte das Monodrama »Johanna Spyri – wisst Ihr, die vom Heidi« unter der Regie von Dominique Lüdi Premiere.

Das Biografie-Gestürm hielt Johanna Spyri von ihrer Leidenschaft ab. Sie wolle doch einfach nur schreiben, erklärte die Zürcher Schriftstellerin damals ihrem Zeitgenossen. Was denn an ihrem Leben so furchtbar spannend sei, fragte sie sich auch. Etwa, dass sie gern in den Bündner Bergen verweilte? Dass sie mit 14 Jahren vom Vaterhaus wegzog? Dass sie als junge Dame viel Homer, Goethe und Lessing gelesen hat? Oder dass sie zur Heirat gezwungen wurde und sich dafür mit den Tischmanieren bis ins letzte Detail auseinandersetzen musste? Nach und nach erfährt der Zuschauer also doch vieles von Spyris scheinbar uninteressantem Leben.

Rührende Momente

Das Spezielle daran: In der Erzählung kommt immer wieder der absolute Höhepunkt in der Lebensgeschichte von Johanna Spyri zum Vorschein. Heidi. Regelmässig und ohne Vorankündigung – als sei es unbeabsichtigt – schlüpft Satu Blanc in ihrem Monodrama, oder eben Johanna Spyri in ihrem Leben, in verschiedene Figuren der Heidi-Geschichte. Einmal in Fräulein Rottenmeier, wie sie zornig »Adelheid« anfaucht; ein andermal in Frau Sesemann, wie sie entzückt von der Berglandschaft schwärmt, als sie Heidi auf der Alp besucht. Besonders rührend sind die Momente, in denen Satu Blanc eine Heidi-Puppe in die Hand nimmt und mit ihr spricht.

Nach diesen kurzen Intermezzi geht es jeweils fliessend weiter mit Spyris Lebensgeschichte. Die Wechsel zwischen Heidi und Johanna ziehen sich durchs ganze Stück.

Auf durchaus fesselnde und teils humorvolle Art und Weise gelingt es Satu Blanc, eines klar zu zeigen: Dass sich Johanna Spyris Leben in deren eigenen Werken spiegelt. Und damit auch, dass in der beliebten Heidi-Figur so viel von Spyri steckt. So solle man sich also nach den Büchern der Zürcher Autorin sehnen, und nicht nach deren Vergangenheit.

Wieso? »Weil meine Lebensgeschichte in allem enthalten ist, was ich geschrieben habe.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Johanna Spyri im Brief von ihrem Freund und Satu Blanc im Arlecchino von ihrem Publikum.